Die Macht der Feuerblume. 20-Jahre der Ballettschule Khinganskiy (2001-2021). Jubiläums-Tanzaufführung

Von Petra Weber-Obrock

Fotos von Olga Skyba und Markus Heni

Seit 2001 leisten Svetlana Khinganskaia und Vladimir Khinganskiy als Tanzlehrer, Choreographen und Leiter der Ballettschule Khinganskiy herausragende Arbeit in Esslingen und Ostfildern. Liebevoll und inspirierend haben sie viele Kinder, Jugendliche und Erwachsene auf ihrem Weg in die Welt des Tanzes begleitet. Durch die Corona-Pandemie verspätet, aber dafür umso eindrucksvoller feierten sie am zweitletzten Oktoberwochenende ihr Jubiläum. In zwei ausverkauften Vorstellungen im großen Haus der Württembergischen Landesbühne präsentierten kleine und große Tänzerinnen und Tänzer ihr Können mit den Produktionen „Dance, Dance, Dance“ und „Mowgli“. Charmant führte Svetlana Khinganskaia in die Aufführung ein, indem sie den Heiligen Augustinus zitierte: „Oh Mensch, lerne tanzen, sonst wissen die Engel im Himmel nichts mit dir anzufangen.“ Zur Philosophie der Khinganskiys gehört, dass Tanz ein Grundbedürfnis des Menschen und somit ein Weg zum eigenen Ich ist. Nach den einführenden Worten tanzten sich die kleinen und großen Schülerinnen und Schüler mit Schwung und Leidenschaft in die Herzen der Zuschauer.

Der erste Programmteil „Dance, Dance, Dance“ zeigte die ganze Vielfalt der unterschiedlichen Tanzstile vom klassischen Ballett über die Tanzfolklore bis hin zu Stepp- und Ausdruckstanz. Wie hart der Weg vom Traum bis zur Könnerschaft ist, verdeutlichte gleich das erste Stück „Ich will tanzen.“ Zur Musik von Schostakowitsch schwebte eine anmutige Ballerina über die Bühne, die als Objekt der Sehnsucht einen Spitzenschuh in der Hand hielt. Sie wurde von einer Gruppe Ballettschülerinnen begleitet, die sich diszipliniert dehnten und die fünf Positionen übten. Den Schwung der Jazzmusik der vierziger Jahre brachte ein Stepptanztrio auf die Bühne, bevor eine Folkloregruppe mit ihren Flamencovariationen Laune machte. Ausdruckstanz vom Feinsten präsentierte die talentierte Paula Gospodnetic als Meerjungfrau auf Abwegen in Vladimir Khinganskiys Choreografie „Zurück ins Meer“. Jacques Brels‘ wunderbares Chanson „Ne me quitte pas“ thematisiert die Liebe und ihren drohenden Verlust. Voller Leidenschaft tanzten sich Joshua Faiß und Pia Maria Franco in die Herzen des Publikums und zeigten mit ihrer Darbietung, wie Tanz und persönlicher Ausdruck bei arrivierten Tänzern eins werden können. Der zweite Teil des Programms gehörte „Mowgli“, dem Dschungeljungen. Svetlana Khinganskaia und Vladimir Khinganskiy brachten Motive aus Rudyard Kiplings bekannter Geschichte unterhaltsam und in einer perfekten Synthese von Musik, Handlung und Tanz auf die Bühne. Viele kleine und größere Ballettschülerinnen erweckten den geheimnisvollen Dschungel bildhaft zum Leben, wodurch auch die gelungenen Kostüme sowie die stimmungsvollen Videoinstallationen beitrugen. Einen reizenden Anblick boten gleich zu Beginn die Allerkleinsten, die sich in Blumen, Schmetterlinge und junge Wölfe verwandelten. Der kleine Mowgli, gespielt von Antonia Seidel und Ella Gospodnetic, wird von den fürsorglichen Wolfseltern (Thea Platsakis/Sarah Tschinkel und Patricia Stein/Elisabeth Platsakis) adoptiert und wächst mit ihrer jungen Meute auf. Menschen im Dschungel sind nicht bei allen gern gesehen, und so muss Mowgli sich schon bald gegen den gefährlichen Tiger Shir Khan (Yanna Weber, Annamae Endtinger) behaupten. Wie gut, dass er auf seine treuen Freunde setzen kann, den geschmeidigen Panther Bagheera (Annamae Endtinger, Sophie Wang), den tapsigen Bären Balou (Katie Marks, Iclal Balci) und die gefährliche Schlange Kaa (Sophie Wang, Marion Specht), die es sogar schafft, die dreiste Affenbande unter Kontrolle zu bringen. Der jugendliche Mowgli (Angélique Wilhelm und Giselle Sylla) wächst heran, bis ihm die Tiere nahelegen, zu den Menschen zurückzukehren. Joshua Faiß tanzt kraftvoll und meisterhaft die Rolle des erwachsenen Mowgli, der erst in seine Welt findet, als sich ihm in Gestalt des Mädchens Chanti (Paula Gospodnetic, Julia Mayer) der Weg der Liebe eröffnet. Jetzt ist er in der Lage, die rote Feuerblume zu erobern und die Herde der Stiere anzuführen, mit denen es ihm gelingt, den Tiger zu besiegen. „Mowgli“ ist ein hinreißend choreographiertes Handlungsballett, das in der Reihe der Choreographien der Khinganskiys, darunter so arrivierte Stücke wie „Tangoballett“ und „PIAF“, nicht den letzten Platz einnimmt. Sowohl die Gruppenszenen, zum Beispiel der wunderbare Tempeltanz, als auch der Pas de deux zwischen Mowgli und Chanti zeigen die professionelle und leidenschaftliche Handschrift der Choreografen. Das Publikum bedankte sich für diese schöne Aufführung mit begeistertem Applaus, und die Tänzer sparten nicht mit Blumensträußen und Dank für die liebevolle Betreuung. Gerne würde man, wenn die Pandemie es zulässt, weitere Tanzproduktionen der Khinganskiys sehen, die bereits über 100 kleinere und größere Projekte auf den Weg gebracht haben.

 

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