Hans Christian Andersens romantisches Märchen „Die Schneekönigin“ fasziniert seit fast zweihundert Jahren das Publikum. Svetlana Khinganskaia und Vladimir Khinganskiy von der gleichnamigen Ballettschule aus Ostfildern brachten diese Vorlage jetzt als romantisches Handlungsballett auf die Bühne, in dem viele Kinder, Jugendliche und Erwachsene ihr Können beweisen konnten. Am 9. und 10. März begeisterten sie in zwei Aufführungen in der württembergischen Landesbühne das Publikum.
Über ein Jahr lang hatten die Tanzschülerinnen und Schüler für ihren großen Auftritt geprobt. Kein Wunder, dass die Zuschauer, darunter viele Eltern und Großeltern, mit aller Kraft mitfieberten. Nachdem Svetlana Khinganskaia charmant in die Premiere eingeführt hatte, bot der erste Teil einen Querschnitt verschiedener Tanzstile. Ihre Meisterschaft im klassischen Ballett zeigten die fortgeschrittenen Tanzschülerinnen im „Divertimento“ nach der glasklaren Musik Johann Sebastian Bachs. Im zweiten Stück „Der Brief des Abschieds“ beeindruckte der junge Tänzer Joshua Faiß durch geballte Kraft und Emotion in einer gefühlvollen Modern-Dance Adaption eines Chansons von Jacques Brel. Weitere Tänze entführten in die Welt des Flamencos, des Steppdance und anderer Stile. Mühelos integrierten die Khinganskiys dabei die Anfänger neben den Fortgeschrittenen. Seien es die reizenden Darstellerinnen von Pippi Langstrumpf oder eine Reihe niedlicher Rentiere, auch die Jüngeren und Jüngsten tanzten wunderschön und herzergreifend und ernteten begeisterten Applaus. Die arrivierten Ballerinen aber faszinierten durch Perfektion und Ausdrucksstärke.
Nach der Pause folgte der Höhepunkt des Abends. Die „Schneekönigin“ von 1844 ist eine klassische Heldenreise, in der die kleine Gerda es mit einer übermächtigen Gegnerin aufnehmen muss. Fantasievoll illustrierten die Khinganskiys die Geschichte mit einem breiten Panoptikum von Figuren und Szenen aus dem hohen Norden. Die kleine Gerda (Antonia Seidel/Leni Weinhold) stellt sich der fast unlösbaren Aufgabe, ihren Freund Kai (Viktorija Hettich/ Ella Gospodnetic) aus den Fängen der Schneekönigin (Yanna Weber/Katrin Müller) zu befreien, die sein Herz in einen Eisblock verwandelt hat. Gerdas Reise in den Norden stellt ihre Entwicklung zu ihrem erwachsenen Ich (Angelique Wilhelm/ Marie Pietruska/ Julia Mayer) in vielen poetischen Szenen dar. Während ihr die jugendlichen und erwachsenen Tänzerinnen in Gestalt einer Blumenfrau, zweier Raben und der wilden Räubertochter zur Seite standen, erwärmten die Kleinen als Blumen, Käfer und Schmetterlinge das Herz der Zuschauer. Die Jugendlichen und Erwachsenen schlüpften in die Rollen von Eiskriegern in Robotermanier, übermütigen Räubern und eleganten Höflingen. Svetlana Khinganskaia beeindruckte als archaische Schamanin mit Trommel und Maultrommel in der Tracht ihrer Heimat am Baikalsee. Den dramatischen und tänzerischen Höhepunkt erreichte das Stück, als Gerda in die Festung der Schneekönigin eindringt und sie zum Kampf herausfordert. Schließlich gelingt es ihr, Kai zu befreien. Doch noch ist sein Herz vereist, und er erinnert sich nicht an sie. Bewegend und ausdrucksstark in jeder Bewegung erweckt Gerda in einem Pas de Deux Kais (Joshua Faiß), Erinnerungen zum Leben. Gemeinsam treten sie die Rückreise an. Mit begeistertem Applaus bedankte sich das Publikum für diese wunderbare Aufführung. Svetlana Khinganskaia gab den Dank zurück an alle Helferinnen und Helfer und ihren Mann Vladimir. Denn gemeinsam sind selbst fast die größten Aufgaben zu stemmen.
Petra Weber Obrock
Foto: KonstantinArutyunyan.